4. Therapie mit Apremilast
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Therapien der Psoriasis (PsO), die
hier überblicksmäßig dargestellt sind. Der folgende Text widmet sich speziell der PsO-Behandlung mit
Apremilast (Otezla®).
Was ist Apremilast?
Apremilast ist ein „small molecule“ – ein oral verabreichter, niedermolekularer Hemmstoff der Phosphodiesterase 4 (PDE-4). PDE-4 ist die
in Entzündungszellen vorwiegend vorhandene Phosphodiesterase. Sie baut das zyklische Adenosinmonophosphat (cAMP) ab, ein
Signalmolekül, das als second messenger wirkt. Eine PDE-4-Inhibition führt dazu, dass die Zelle mehr cAMP zur Verfügung hat 1. Es gibt über 20 Isoformen von PDE-4, die von Apremilast alle in gleicher Weise inhibiert werden 2. Dies wiederum bewirkt über komplexe Mechanismen eine Reduktion proinflammatorischer Zytokine (IFN-γ, IL-12, IL-17, IL-22 und IL-23) bei gleichzeitiger Steigerung der Produktion antiinflammatorischer Zytokine (IL-6, IL-10) 1.
Ergebnisse der Phase 3
Bereits im Jahr 2012 waren die Studien zu Apremilast der Phasen 1 und 2 weitgehend abgeschlossen und hatten vielversprechende Ergebnisse gebracht 1. Ein Meilenstein waren die ESTEEM-Studien 1 und 2, die auch für die in der EU Anfang 2015 erfolgte Zulassung von Apremilast relevant waren 3,4.
Die Designs der ESTEEM-Studien waren sehr ähnlich. Sie unterschieden sich hauptsächlich durch die Patientenauswahl. Während die Patienten in ESTEEM-1 3 hauptsächlich in nordamerikanischen Zentren behandelt wurden, kamen zwischen 25 und 30% der ESTEEM-2-Patienten aus Europa 4.
ESTEEM-1 war eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Phase-3-Studie mit 844 Teilnehmern mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-PsO, die in drei Perioden ablief. Periode A dauerte 16 Wochen und war plazebokontrolliert. Hier wurden die Patienten im Verhältnis 2:1 zu Apremilast (30mg, 2x täglich) bzw. Plazebo randomisiert. Die Periode B dauerte von Woche 16 bis 32. Hier wurden die Patienten aus der Plazebogruppe auf Apremilast umgestellt, wobei zu Beginn und in Woche 16 eine Auftitration in 10mg-Schritten erfolgte. In Periode C (Woche 32–52) wurden Patienten, die zu Studienbeginn auf Apremilast eingestellt waren und eine ≥75-prozentige Reduktion im PASI-Score (PASI-75) erreicht hatten, neuerlich im Verhältnis 1:1 zu Apremilast oder Plazebo randomisiert (hier ohne Titration). Wenn Patienten, die in Woche 32 zu Plazebo randomisiert wurden, ihr PASI-75-Ansprechen verloren, wurden sie wiederum auf Apremilast umgestellt3. Zum Studiendesign siehe Abbildung 1.
Zu Beginn befanden sich 562 Patienten in der Apremilast-Gruppe, 282 erhielten Plazebo. Ca. 32% waren weiblich, 89 bis 90% waren weiß, ca. 5% Asiaten und knapp über 3% schwarz. Die mittlere Krankheitsdauer lag bei ca. 19 Jahren. Der durchschnittliche PASI-Score betrug ca. 19 Punkte; im Durchschnitt waren 25% der Körperoberfläche von PsO betroffen. Mehr als die Hälfte der Patienten hatte bereits eine systemische Vortherapie erhalten, 28% auch bereits Biologika 3.
Den primären Endpunkt zu Woche 16 – ein PASI-75-Ansprechen – erreichten signifikant mehr Patienten unter Apremilast als unter Plazebo (33,1% vs. 5,3%; p<
0,0001). Der wichtigste sekundäre Endpunkt war das „static Physician Global Assessment“ (sPGA). Einen sPGA-Score von 0 oder 1 zu Woche 16 mit einer Reduktion von ≥2 Punkten erreichten ebenfalls signifikant mehr Patienten unter Apremilast als unter Plazebo (21,7% vs. 3,9%; p<
0,0001). Auch eine Reihe weiterer Endpunkte, wie z.B. die prozentuelle Veränderung der betroffenen Körperoberfläche, des PASI-Scores oder des Juckreizes (anhand einer visuellen Analogskala) wurden unter Apremilast signifikant öfter erreicht. So wurde zu Woche 16 eine ca. 50-prozentige Reduktion des Pruritus-Schweregrads erzielt 3.
In Periode B erreichten jene Patienten, die zu Woche 16 von Plazebo auf Apremilast umgestellt wurden, bis Woche 32 das gleiche Ausmaß an PASI-75-Ansprechen, PASI-Veränderung und Juckreizreduktion wie jene, die von Anfang an Apremilast eingenommen hatten 3.
In Periode C wurden 154 Patienten, die zu Woche 32 ein PASI-75-Ansprechen erzielt hatten, neuerlich zu Apremilast oder Plazebo randomisiert. Von den 77 Patienten, die zu Apremilast randomisiert wurden, hatten 61% zu Woche 52 ein PASI-75-Ansprechen und 75,3% erreichten im Vergleich zu Baseline eine PASI-Verbesserung um ≥70% 3.
Von den 77 Patienten, die zu Woche 32 auf Plazebo eingestellt wurden, verloren 83% ihr PASI-75-Ansprechen und erhielten daher vor Woche 52 neuerlich Apremilast. 70% dieser Patienten erlangten neuerlich ein PASI-75-Ansprechen 3.
Schwere Nebenwirkungen („Adverse Events“ – AE) traten bei 3,2% unter Plazebo und 3,6% unter Apremilast auf. Die häufigsten AEs waren Diarrhoe, Nausea, obere Atemwegsinfektionen, Nasopharyngitis, Spannungskopfschmerz und andere Kopfschmerzen 3.
ESTEEM-2 bestätigt Ergebnisse
ESTEEM-2 unterschied sich im Design von ESTEEM-1 dadurch, dass das Kriterium für eine neuerliche Randomisierung zu Woche 32 eine ≥50-prozentige Reduktion des PASI-Scores (PASI-50) war und die Patienten, die zu Woche 32 auf Plazebo eingestellt wurden, nach Verlust dieses Ansprechens auch wieder Apremilast erhielten. Insgesamt nahmen 411 Patienten an ESTEEM-2 teil 4.
Zu Woche 16 erreichten 28,8% unter Apremilast und 5,8% unter Plazebo einen PASI-75; beim PASI-50 waren es 55,5% vs. 19,7%, beim Erreichen eines sPGA von 0 oder 1 20,4% vs. 4,4% (alle Unterschiede signifikant mit p<
0,001). Von jenen Patienten, die zu Woche 32 neu zu Apremilast randomisiert wurden, hatten 80% zu Woche 52 ein PASI-50-Ansprechen 4.
Patienten unter Apremilast erreichten eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität (gemessen mit dem „Dermatology Life Quality Index“ – DLQI) und des Pruritus zu Woche 16 (p<
0,001) 4.
Die häufigsten AEs waren Nausea, Diarrhoe, Nasopharyngitis und obere Atemwegsinfektionen 4.
Weitere Daten zu Apremilast
Von den insgesamt 1.255 Teilnehmern der ESTEEM-Studien hatten ca. 65% eine Nagelbeteiligung und ungefähr ebenso viele auch einen mittelschweren bis schweren Befall der Kopfhaut. Zu Woche 16 erreichten Patienten unter Apremilast eine signifikant größere Verbesserung des Nagelbefalls („Nail Psoriasis Severity Index“, in ESTEEM-1 –22,5 vs. +6,5%; p<
0,0001; in ESTEEM-2 –29,0% vs. –7,1%; p=0,0052). Auch die Veränderung des Kopfhautbefalls, gemessen mit dem „Scalp Physician Global Assessment Score“, war in beiden Studien zu Woche 16 unter Apremilast signifikant (p<
0,0001). Diese Veränderungen bestanden in der Regel auch weiter bis Woche 52 5.
Nach Abschluss der Woche 52 erfolgte eine Verlängerungsphase der ESTEEM-Studien. Dazu sind Sicherheitsergebnisse nach 156 Wochen Behandlung publiziert 6. Sie zeigen, dass nach Abschluss von 52 Wochen keine neuen AEs, die mehr als 5% der Teilnehmer betroffen hätten, auftraten. Die AE-Raten nahmen langfristig nicht zu. Dies galt insbesondere auch für die (von vornherein nicht erhöhten) Raten an kardiovaskulären Ereignissen (MACE), malignen Tumoren oder Suiziden 6.
Zwar waren die Ausfallsraten relativ hoch (zu Woche 156 waren noch 21% der ursprünglichen ESTEEM-Patienten in Behandlung); dies hatte jedoch zumeist keinen Bezug zu Nebenwirkungen
6.
LIBERATE war eine Studie der Phase 3b, an der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis teilnahmen. Bis zur Woche 16 erhielten die Patienten entweder Apremilast (2x 30mg/Tag), Etanercept (50mg/Woche) oder Plazebo. Danach wurden in einer offenen Verlängerungsphase bis Woche 104 alle Patienten auf Apremilast eingestellt. 250 Patienten wurden randomisiert, 226 traten in die Verlängerungsphase ein 7.
Die Patienten unter Apremilast und Etanercept erreichten zu Woche 16 jeweils signifikant höhere Raten an PASI-75-Ansprechen als die Patienten unter Plazebo. Zu Woche 104 erreichten alle drei Gruppen annähernd gleiche PASI-75-Raten, die zwischen 46 und 52% lagen 7.
Apremilast verbesserte auch die PsO an den Nägeln und der Kopfhaut sowie den Pruritus und die Lebensqualität signifikant und anhaltend 7.
Empfehlungen der europäischen Guidelines
Die „EuroGuiDerm Guidelines“ empfehlen den Einsatz von Apremilast dann, wenn eine orale Therapie gewünscht wird und konventionelle systemische Substanzen – wie Acitretin, Ciclosporin, Fumarate oder Methotrexat – inadäquate Ergebnisse bringen, kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden 8.
Die behandelnden Ärzte werden ermutigt, ihre Patienten in Register aufzunehmen. Vor Beginn der Behandlung sollten folgende
Laborparameter erhoben werden: komplettes Blutbild, ALT, AST, Serumkreatinin bzw. eGFR und optional Tests auf Hepatitis B und C sowie HIV. Eine Schwangerschaft sollte vor Beginn der Therapie ausgeschlossen werden. Allerdings betonen die Guidelines auch, dass bezüglich der Notwendigkeit von Laborkontrollen die individuelle Patientensituation zu berücksichtigen ist 8.
Dr. med. univ. Norbert Hasenöhrl
Literatur
- 1 Gisondi, P und Girolomoni, G: Apremilast in the therapy of moderate-to-severe chronic plaque psoriasis. Drug Des Devel Ther 2016:1763. doi:10.2147/dddt.s108115
- 2 Shutty, B et al.: Apremilast as a treatment for psoriasis. Expert Opin Pharmacother 2012;13(12):1761-70. doi:10.1517/14656566.2012.699959
- 3 Papp, K et al.: Apremilast, an oral phosphodiesterase 4 (PDE4) inhibitor, in patients with moderate to severe plaque psoriasis: Results of a phase III, randomized, controlled trial (Efficacy and Safety Trial Evaluating the Effects of Apremilast in Psoriasis [ESTEEM] 1). J Am Acad Dermatol 2015;73(1):37-49. doi:10.1016/j.jaad.2015.03.049
- 4 Paul, C et al.: Efficacy and safety of apremilast, an oral phosphodiesterase 4 inhibitor, in patients with moderate-to-severe plaque psoriasis over 52 weeks: a phase III, randomized controlled trial (ESTEEM 2). Br J Dermatol 2015;173(6):1387-99. doi:10.1111/bjd.14164
- 5 Rich, P et al.: Apremilast, an oral phosphodiesterase 4 inhibitor, in patients with difficult-to-treat nail and scalp psoriasis: Results of 2 phase III randomized, controlled trials (ESTEEM 1 and ESTEEM 2). J Am Acad Dermatol 2016;74(1):134-42. doi:10.1016/j.jaad.2015.09.001
- 6 Crowley, J et al.: Long-term safety and tolerability of apremilast in patients with psoriasis: Pooled safety analysis for ≥156 weeks from 2 phase 3, randomized, controlled trials (ESTEEM 1 and 2). J Am Acad Dermatol 2017;77(2):310-317.e1. doi:10.1016/j.jaad.2017.01.052
- 7 Reich, K et al.: Safety and efficacy of apremilast through 104 weeks in patients with moderate to severe psoriasis who continued on apremilast or switched from etanercept treatment: findings from the LIBERATE study. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018;32(3):397-402. doi:10.1111/jdv.14738
- 8 Nast, A et al.: EuroGuiDerm Guideline on the systemic treatment of Psoriasis vulgaris - Part 1: treatment and monitoring recommendations. J Eur Acad Dermatol Venereol 2020;34(11):2461-2498. doi:10.1111/jdv.16915
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