1. Definition, Epidemiologie, Ätiologie und Pathogenese
Die Psoriasisarthritis (PsA) ist eine chronische, progrediente, entzündliche Gelenkserkrankung, die
mit oder ohne gleichzeitige kutane Psoriasismanifestationen auftreten kann 1. Während die PsA früher
als relativ harmlose Erkrankung betrachtet wurde, sieht man das heute anders – die PsA wird inzwischen als
systemische entzündliche Erkrankung betrachtet, deren Folge über die Gelenksfunktion hinausgehen und z.B. auch
das kardiovaskuläre System umfassen 2. Hinsichtlich der Prävalenz von Erosionen und Destruktionen von
Gelenken ist die PsA etwa mit der rheumatoiden Arthritis vergleichbar 3.
Epidemiologie
Hier ist zunächst zwischen der Prävalenz der PsA in der Gesamtbevölkerung und jener bei Patienten mit
Psoriasis (PsO) zu unterscheiden. Für Europa gibt ein Review die Prävalenz in einem Bereich zwischen 0,05%
(Türkei, Tschechien) und 0,21% (Schweden) an. Weltweit gibt es zum Teil noch niedrigere Prävalenzzahlen, wie
etwa 0,02% in China, was jedoch an Unterdiagnostik liegen könnte. Die Unterschiede in den Prävalenzangaben
können zum Teil auch auf die Verwendung unterschiedlicher Diagnosekriterien (z.B. ICD-Codes vs. klinische
Klassifikationskriterien) zurückgeführt werden 1.
Während die PsA jedenfalls in der Allgemeinbevölkerung nicht übermäßig häufig vorkommt, ist das bei
PsO-Patienten anders. Allerdings gibt es auch hier eine erhebliche Bandbreite – die Angaben schwanken zwischen
6% und 41% 1.
Eine Studie untersuchte die kumulative Inzidenz der PsA bei Psoriasispatienten und kam zu dem
Ergebnis, dass nach fünf Jahren 1,7%, nach zehn Jahren 3,1% und nach 20 Jahren 5,1% eine PsA entwickelt hatten
4. Eine andere Arbeit fand eine jährliche Inzidenz von 1,87% in einer prospektiven Kohorte von 313
PsO-Patienten 5.
Eine Metaanalyse aus 2019 ergab, dass PsA bei 20% aller Psoriasispatienten und bei 25% jener mit
mittelschwerer bis schwerer PsO vorkommt 6. Eine multizentrische europäische Studie kam zu dem
Schluss, dass nach 30 Jahren 20,5% aller PsO-Patienten eine PsA entwickelten 7. Eine deutsche Arbeit
fand bei den untersuchten PsO-Patienten eine PsA-Prävalenz von 21% 8.
Was die Präsentation angeht, so erhalten laut einer britischen Studien zwischen 61% und 82% der
Patienten zuerst eine PsO-Diagnose (zwischen 11% und 24% bekamen die PsA-Diagnose im selben Kalenderjahr), und
nur zwischen 7 und 15% erhielten die PsA-Diagnose zuerst 9.
Eine Studie fand, dass die PsO-Phänotypen, die mit einem höheren PsA-Risiko assoziiert sind, jene mit
einer Beteiligung der Kopfhaut (Hazard-Ratio [HR] 3,9), der Nägel (HR 2,9) bzw. der Intergluteal- und
Perianalregion (HR 2,4) sind 4.
Ätiologie und Pathogenese
Die ätiologischen Ereignisse, die der Entstehung von PsO und PsA zugrunde liegen, sind eng
miteinander verknüpft, werden aber bis heute nicht gut verstanden. Die vorhandenen Daten zeigen, dass es sich um
komplexe und heterogene Erkrankungen handelt, bei denen genetische und Umweltfaktoren zusammentreffen, um auf
multiplen immunologischen Signalwegen entzündliche Ereignisse auszulösen 10-12.
Die Annahme, dass PsO und PsA eine gemeinsame Pathogenese haben, stützt sich auf Überlappungen
bezüglich genetischer Risikoallele, Umweltfaktoren und Zytokinwege. Allerdings gibt es hier auch beträchtliche
Unterschiede, vor allem in den gewebeständigen Zellen in der Haut bzw. den Gelenken; zudem findet sich oft eine
Divergenz der Krankheitsaktivitäten von PsO und PsA beim individuellen Patienten. Auch aus dem therapeutischen
Ansprechen kann auf Unterschiede geschlossen werden: Während die Blockade von Interleukin 17 (IL-17) oder IL-23
bei PsO als Monotherapie hocheffektiv ist, ist dies bei PsA nicht im selben Ausmaß der Fall 13.
Genetische Faktoren
Genom-weite Assoziationsstudien unterstützen die Hypothese, dass PsA eine hochgradig erbliche
Erkrankung ist, deren Auftreten allerdings von multiplen Genen abhängt, deren individueller Beitrag zur
Pathogenese gering bis mittelgradig ist 14.
Die stärksten genetischen Assoziationen mit psoriatischen Erkrankungen finden sich in der
Klasse-1-Region des „Major Histocompatibility Complex“ (MHC). HLA-C*0602 ist stark mit Psoriasis, aber weniger
stark mit PsA assoziiert. Dieser Haplotyp ist, zusammen mit HLA-B*44, mit einem leichteren PsA-Verlauf
verbunden. Andere Allele, wie HLA-B*27, HLA-B*0801 und HLA-B*3801 kommen bei PsA häufiger vor 15.
Verschiedene weitere Assoziationen mit MHC-Klasse-1-Allelen sind beschrieben 13.
Aber auch außerhalb des MHC gibt es Risikoallele für PsA, z.B. in den Genen für IL-12A, IL-12B und
für den IL-23-Rezeptor 13.
Umwelt- und Krankheitsfaktoren
Bei PsO-Patienten gibt es einige Faktoren, die mit einem höheren Risiko einhergehen, eine PsA zu
entwickeln. Dazu gehören der Schweregrad der PsO, das Vorhandensein von Adipositas, Kopfhaut- oder inverse PsO,
Nagelbeteiligung und psoriatische Erkrankung bei einem Verwandten ersten Grades 16. Dabei ist vor allem die
Adipositas ein wesentlicher Risikofaktor sowohl für PsO als auch PsA 13.
Eine weitere Hypothese besagt, dass Streptokokkeninfektionen sowie allgemein eine veränderte
Zusammensetzung der Mikrobiome von Darm und Haut für die Entwicklung von PsO und PsA eine Rolle spielen könnten
13. Einige Beobachtungen sprechen für eine Assoziation zwischen Mikrobiomveränderungen und PsA, wie etwa
subklinische, symptomlose Kolitiden bei PsA-Patienten, ein erhöhtes Risiko für entzündliche Darmerkrankungen bei
PsA und die Korrelation zwischen subklinischer Kolitis und Sakroiliitis bei Patienten mit axialer
Spondylarthritis 13.
Andere Faktoren wie Traumata, rezidivierende orale Ulzera und Borreliose wurden ebenfalls beschrieben 13.
Immunzellen und Zytokine
Die Datenlage spricht dafür, dass PsO sowohl durch das adaptive als auch durch das angeborene
Immunsystem getrieben wird, wenngleich zumindest bei PsA das Zusammenspiel dieser beiden Teile des Immunsystems
noch nicht gut verstanden wird 17.
Bei etablierter PsA spielen eine Reihe von zellulären und humoralen Faktoren des Immunsystems eine
Rolle. Dazu gehören T-Lymphozyten, Monozyten, Neutrophile, synoviale Fibroblasten, aber auch die IL-23/IL-17-
und TNF-Signalwege 13.
In der Synovia von PsA-Patienten finden sich spezifische proinflammatorische Zytokine, wie TNF-α,
IL-1, IL-6 und IL-8 sowie erhöhte Spiegel von IL-10, IL-13, IFN-α, EGF, VEGF, FGF, CCL4 und CCL11 sowie
reduzierte Spiegel von GCSF 13.
Die Synovialmembran dieser Patienten enthält, im Vergleich zur rheumatoiden Arthritis (RA), erhöhte
Spiegel einzelner Zytokine wie TNF-α, IL-1B, IL-2, IL-10 und IFN-γ und weniger an anderen Zytokinen wie IL-4
oder IL-5, was dafür spricht, dass die zugrundeliegenden Pathomechanismen von RA und PsA verschieden sind
18.
Dr. med. univ. Norbert Hasenöhrl
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