2. Symptome, Diagnostik und Krankheitslast
Eines der häufigsten klinischen Symptome des Morbus Behçet ist das Auftreten von rezidivierenden und zumeist schmerzhaften mukokutanen Ulzera. Andere Symptome der Erkrankung zeigen bei verschiedenen Patienten und in unterschiedlichen Populationen eine höhere Variabilität 1.
Der Schweregrad der Symptomatik ist bei Männern üblicherweise höher als bei Frauen 2. Die höchste Morbidität und Mortalität entsteht durch die Beteiligung der Augen, die bei bis zu zwei Dritteln aller Patienten zu finden ist, und des ZNS, die ca. zehn bis 20% der Patienten betrifft 1. Haut- und Gelenksmanifestationen sind häufig, während – im Vergleich zu anderen Vaskulitiden – eine Beteiligung der Nieren und des peripheren Nervensystems eher seltener zu sehen sind 1.
1. Klinische Manifestationen
1.1 Orale Ulzera
Bei den meisten, jedoch nicht bei allen Patienten treten als Erstmanifestation eines M. Behçet orale aphthöse Ulzerationen auf. Sie ähneln makroskopisch und histologisch oralen Ulzera anderer Genese, wie z.B. im Rahmen einer rezidivierenden aphthösen Stomatitis, neigen aber zu größerer Ausdehnung und treten oft multipel auf. Sie sind schmerzhaft und können die Nahrungsaufnahme behindern. Das typische Ulkus ist rund und weist einen Durchmesser von wenigen Millimetern bis zwei Zentimetern auf. Die Läsionen sind scharf begrenzt, haben einen weißlich-gelben nekrotischen Grund und können von einem Erythem umgeben sein 1.
Größere Ulzera (≥1cm Durchmesser) können Narben hinterlassen. Die Abheilung erfolgt üblicherweise spontan innerhalb von ein bis drei Wochen. Da jedoch eine hohe Rezidivneigung besteht, haben manche Patienten ständig floride Ulzera. Diese Läsionen sind im Krankheitsverlauf oft das erste Symptome, aber auch das am längsten persistierende, wobei nach langen Verläufen die Häufigkeit von Ulzera irgendwann zurückgeht 1.
1.2 Urogenitale Ulzera
Genitale Läsionen, die das spezifischste Behçet-Symptom darstellen, treten bei ca. ≥75% der Betroffenen auf. Sie sind den oralen Ulzera morphologisch ähnlich. Diese Läsionen treten bei Frauen zumeist an der Vulva oder in der Vagina und bei Männern am Skrotum oder am Penisschaft auf und sind in der Regel schmerzhaft (vaginale Ulzera können aber auch asymptomatisch sein). Auch perianale Läsionen sind möglich 3.
Die Rezidivtendenz ist bei urogenitalen Ulzera geringer als bei oralen Läsionen, sie hinterlassen jedoch häufig Narben. Am Skrotum sind solche Narben nahezu spezifisch; sie treten sehr selten bei anderen Erkrankungen als dem M. Behçet auf 1.
Inflammatorische Veränderungen wie Epididymitis, Salpingitis oder Varikozelen können bei M. Behçet ebenfalls vorkommen, während Urethritiden selten sind 1, 4, 5.
1.3 Hautläsionen
Auch Hautläsionen treten bei etwa drei Vierteln aller Betroffenen auf. Die Art dieser Läsionen ist variabel und umfasst akneiforme, papulo-vesikulo-pustuläre und noduläre Veränderungen, Erythema nodosum, oberflächliche Thrombophlebitis, Pyoderma-gangraenosum-artige Läsionen und palpable Purpura. Wenn man Erythema-nodosum-artige Veränderungen biopsiert, findet sich in der Hälfte der Fälle eine septale Pannikulitis mit Vaskulitis der mittelgroßen Gefäße 6.
Akneiforme Läsionen treten häufiger bei Patienten auf, die auch eine Arthritis haben 7, 8.
Das sogenannte Pathergie-Phänomen besteht im Auftreten pustulärer oder papulärer Hautveränderungen im Anschluss an kleine Hautverletzungen 1. Während Pathergie bei Behçet-Patienten in Nordeuropa und Nordamerika nur bei zehn bis 20% der Betroffenen vorkommt, ist es in Endemiegebieten mit 50 bis 75% erheblich häufiger 9.
1.4 Augenbeteiligung
Abhängig von der untersuchten Population tritt eine Augenbeteiligung bei M. Behçet bei 25 bis 75% der Patienten auf. Unbehandelt führt eine solche Augenbeteiligung meistens zu Erblindung. Männer sind häufiger und stärker betroffen als Frauen 1.
Die häufigsten Augenveränderungen sind Uveitis, Hypopyon und Vaskulitis der Retina 1.
1.5 Vaskulitis
Man geht davon aus, dass den meisten Organmanifestationen des M. Behçet irgendeine Form von Vaskulitis zugrunde liegt. Auch vaskulitische Veränderungen sind bei Männern häufiger als bei Frauen. In einer türkischen Studie mit über 2.000 Patienten litten 53,3% an einer oberflächlichen und 29,8% an einer tiefen Venenthrombose, 3,6% hatten eine arterielle Erkrankung 10.
Eine chinesische Studie mit knapp 800 Teilnehmer fand eine Vaskulitis-Prävalenz von 12,8%. Das Verhältnis Männer zu Frauen lag bei 4:1, das mittlere Manifestationsalter lag bei 29,5 Jahren. Patienten mit Vaskulitis wiesen ein höheres Risiko für eine kardiale Beteiligung auf 11.
1.6 Andere Organbeteiligungen
Neurologische Veränderungen treten bei weniger als 10% aller Behçet-Patienten auf 1. Im Durchschnitt vergehen fünf bis sechs Jahre zwischen der Erstmanifestation der Erkrankung und dem Auftreten neurologischer Symptome oder Befunde 12.
Die neurologischen Veränderungen werden in parenchymale (d.h. das ZNS-Gewebe selbst betreffende) und nicht-parenchymale (d.h. im Wesentlichen vaskuläre) Veränderungen unterteilt 1.
Pulmonale Veränderungen können einerseits vaskulärer Natur sein, andererseits aber auch das Lungenparenchym betreffen (z.B. organisierende und eosinophile Pneumonien 13. Aber auch Pleuraergüsse, Bronchialstenosen, Abszesse, obstruktive Lungenerkrankungen, chronische Bronchitis und Fibrose wurden beschrieben 14.
Arthritiden kommen bei ca. der Hälfte aller Behçet-Patienten vor. Es handelt dabei um nicht-erosive, asymmetrische, nicht-deformierende Veränderung, die vor allem im Rahmen von Exazerbationen der Erkrankung auftreten. Zumeist sind mittlere bis große Gelenke, wie Knie, Knöchel oder Handgelenke betroffen 15.
Eine Nierenbeteiligung ist bei M. Behçet seltener und weniger schwerwiegend als bei anderen Vaskulitiden. Proteinurie, Hämaturie und leichte Nierenfunktionsstörungen können auftreten, und eine Progression zum Nierenversagen ist möglich, wenn auch selten 1.
Eine symptomatische Herzbeteiligung ist selten. Mögliche Veränderungen umfassen Peri- und Myokarditis, Inflammation der Koronararterien, aber auch Reizleitungsstörungen, ventrikuläre Arrhythmien, Endokarditiden und Klappenveränderungen kommen vor 1.
Auch der Gastrointestinaltrakt kann betroffen sein, wobei es hier oft schwierig ist, Manifestationen des M. Behçet von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu unterscheiden 1.
Systemische Symptome wie Fieber und Krankheitsgefühl kommen vor, ebenso Symptome der ableitenden Harnwege, und auch eine begleitende Fibromyalgie ist beschrieben 1.
Das Risiko, eine maligne Erkrankung zu entwickeln, ist bei M. Behçet etwas erhöht 16.
2. Diagnostik
Es gibt keine pathognomonischen Laborwerte für den M. Behçet. Die Bestimmung von Entzündungswerten, Blutbild und Differenzialblutbild sind sicherlich sinnvoll 1.
Die Diagnose eines M. Behçet muss aufgrund einer klinischen Konstellation gestellt werden. Dabei ist natürlich die lokale Häufigkeit der Erkrankung in unterschiedlichen Populationen zu berücksichtigen. Obwohl orale Läsionen per se häufig sind, ist ihr rezidivierendes Auftreten – vor allem in Kombination mit anderen Manifestationen – ein wichtiger Hinweis. Hier sind vor allem okuläre, neurologische, vaskuläre und pulmonalarterielle Läsionen gemeint, weiters auch das Pathergie-Phänomen 1. Auch die für M. Behçet spezifischeren Genitalläsionen sind diagnostisch wichtig. Bei der Abschätzung der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines M. Behçet sollte die Herkunft der Patienten (Türkei? Länder an der Seidenstraße?) in Erwägung gezogen werden 1.
3. Krankheitslast und Lebensqualität
Eine Reihe von Studien zeigt, dass das Vorliegen eines M. Behçet erhebliche negative Auswirkungen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität („Health-Related Quality of Life“ – HRQoL) nach sich zieht.
Eine rezente Querschnittsstudie untersuchte 71 Patienten, darunter 45 Männer und 26 Frauen mit M. Behçet und zeigte einen signifikanten negativen Einfluss der Erkrankung auf die HRQoL 17.
Auch eine andere Studie zeigte, dass die HRQoL, ausgedrückt durch die Kurzform des SF-36-Scores, bei Patienten mit M Behçet signifikant schlechter ist als bei gematchten Kontrollpersonen und dass diese Einschränkung mit dem Schweregrad der Erkrankung korreliert 18.
In einer prospektiven Studie aus Italien wurden 37 konsekutive Behçet-Patienten mit 23 gesunden Kontrollpersonen verglichen. Auch hier wurde der SF-36 als Evaluierungsinstrument herangezogen.
Verglichen mit den Kontrollpersonen, zeigten Behçet-Patienten in sechs von acht Subskalen des SF-36 schlechtere Durchschnittswerte (Ausnahmen waren das psychische Wohlbefinden und die emotionale Rollenfunktion). Bei Frauen war die HRQoL schlechter als bei Männern. Die Krankheitsaktivität korrelierte signifikant mit der körperlichen Funktionsfähigkeit, den körperlichen Schmerzen, der körperlichen Rollenfunktion, der Vitalität, der allgemeinen Gesundheitswahrnehmung, der sozialen Funktionsfähigkeit, dem psychischen Wohlbefinden und der emotionalen Rollenfunktion, also sämtlichen Subskalen. Mukosale Veränderungen, ZNS-, muskuloskelettale und Augenmanifestationen beeinflussten die HRQoL negativ 19.
Eine große japanische Registerstudie untersuchte den Einfluss des M. Behçet auf die Aktivitäten des täglichen Lebens („Activities of Daily Life“ – ADL). Die Daten von 2.960 Patienten wurden untersucht, davon 39% Männer, 61% Frauen. Bei 60% fand sich keine Einschränkung der ADL, bei den verbleibenden 40% jedoch sehr wohl, wobei die meisten ohne Hilfe auskamen. Die Veränderungen, die die ADL am meisten einschränkten, waren chronische Augenläsionen, Lähmungen, Psychosen und Arthritiden, wobei die ersten drei auch jene Faktoren waren, die zu einer Hilfsbedürftigkeit führten 20.
Dr. med. univ. Norbert Hasenöhrl
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